Ab dem 1. Juni 2024 tritt ein neues Instrument der Erwerbsmigration in Deutschland in Kraft – die Chancenkarte. Dieses innovative Konzept bietet Fachkräften und qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland eine neue Möglichkeit, zum Zweck der Jobsuche nach Deutschland zu kommen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die Chancenkarte funktioniert, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen und wie Sie durch ein Punktesystem Ihre Einreisechancen erhöhen können.
Was ist die Chancenkarte?
Die Chancenkarte ist eine neuartige Aufenthaltserlaubnis, die es ermöglicht, für die Jobsuche nach Deutschland zu kommen. Ziel dieser Regelung ist es, qualifizierte Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Sie richtet sich an Personen mit und ohne formale Anerkennung als Fachkraft. Die Chancenkarte wird zunächst für ein Jahr ausgestellt und kann in bestimmten Fällen um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn noch nicht alle Voraussetzungen für eine langfristige Erwerbstätigkeit erfüllt sind.
Wer kann eine Chancenkarte erhalten?
Es gibt zwei Wege, wie Interessierte eine Chancenkarte beantragen können:
- Fachkräfte im aufenthaltsrechtlichen Sinne: Wenn Sie bereits als Fachkraft gelten – das bedeutet, Sie besitzen einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschul- oder Berufsabschluss – gibt es keine weiteren besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der Chancenkarte.
- Personen ohne formale Fachkraftanerkennung: Wenn Sie keine formale Anerkennung als Fachkraft haben, können Sie die Chancenkarte über ein Punktesystem erwerben. Hierbei wird eine Kombination aus verschiedenen Kriterien bewertet, um mindestens sechs Punkte zu erreichen.
Wie funktioniert das Punktesystem?
Um eine Chancenkarte zu erhalten, müssen Bewerberinnen und Bewerber mindestens sechs Punkte im Rahmen eines flexiblen Punktesystems sammeln. Diese Punkte werden auf Grundlage verschiedener Kriterien vergeben, darunter:
- Berufliche Qualifikation und Hochschulabschluss
- Wenn Sie eine ausländische Berufsqualifikation oder einen ausländischen Hochschulabschluss vorweisen können, wird dies bereits mit Punkten honoriert. Wichtig ist, dass diese Qualifikationen im Erwerbsland staatlich anerkannt sein müssen – eine Anerkennung in Deutschland ist nicht zwingend erforderlich.
- Sprachkenntnisse
- Deutschkenntnisse auf einfachem Niveau (A1) oder Englischkenntnisse auf gutem Niveau (B2) zählen ebenfalls für das Punktesystem. Jede Sprache bringt Ihnen zusätzliche Punkte.
- Anerkennung in Deutschland
- Haben Sie bereits einen (Teil-)Anerkennungsbescheid einer deutschen Anerkennungsstelle für Ihre Qualifikation erhalten, erhalten Sie hierfür ebenfalls Punkte.
- Berufserfahrung
- Berufserfahrung im Bereich Ihrer Berufsqualifikation oder Ihres Hochschulabschlusses wird zusätzlich angerechnet. Je mehr Berufserfahrung, desto höher die Punktzahl.
- Engpassberufe
- Wenn Ihre Berufsqualifikation oder Ihr Hochschulabschluss in einem Engpassberuf liegt – also in einem Bereich, in dem in Deutschland ein Mangel an Fachkräften herrscht – gibt es dafür besonders viele Punkte. Beispiele hierfür sind Berufe in der Pflege, im Handwerk oder in der IT-Branche.
- Alter
- Jüngere Bewerberinnen und Bewerber erhalten zusätzliche Punkte, wenn sie eine bestimmte Altersgrenze einhalten. Dies zielt darauf ab, jüngere Arbeitskräfte langfristig für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen.
- Voraufenthalt in Deutschland
- Wenn Sie bereits rechtmäßig in Deutschland gelebt oder gearbeitet haben, kann dies ebenfalls für das Punktesystem relevant sein und zusätzliche Punkte einbringen.
- Partnerqualifikation
- Auch die Qualifikation Ihres Partners oder Ihrer Partnerin kann Einfluss auf die Punktevergabe haben. Wenn Ihr Partner ebenfalls die Voraussetzungen für eine Chancenkarte erfüllt und ebenfalls eine beantragt, gibt es hierfür weitere Punkte.
Vorteile der Chancenkarte
Mit der Chancenkarte wird es möglich, in Deutschland nach einem Arbeitsplatz zu suchen, während gleichzeitig eine Nebenbeschäftigung oder Probebeschäftigungen erlaubt sind. Dies bietet eine flexible Möglichkeit, erste berufliche Erfahrungen in Deutschland zu sammeln, während man nach einer langfristigen Beschäftigung sucht.
Sollte die Jobsuche nicht direkt zu einem Erwerbstitel führen, kann die Chancenkarte mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Dies gibt Bewerberinnen und Bewerbern mehr Zeit, eine qualifizierte Anstellung zu finden.
Verdoppelung des Kontingents der Westbalkanregelung
Zusätzlich zur Chancenkarte wird das Kontingent der Westbalkanregelung ab dem 1. Juni 2024 von 25.000 auf 50.000 Zustimmungen durch die Bundesagentur für Arbeit verdoppelt. Dies bedeutet, dass Menschen aus den Westbalkanstaaten – darunter Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – nun doppelt so viele Möglichkeiten haben, nach Deutschland zu kommen. Anders als bei der Chancenkarte ist für sie keine formale Qualifikation notwendig – ein konkretes Arbeitsangebot oder ein Arbeitsvertrag reichen aus, um in den deutschen Arbeitsmarkt einzutreten.
Für welche Jobkategorien passt die Chancenkarte?
1. Engpassberufe
Engpassberufe sind Berufe, in denen in Deutschland ein Fachkräftemangel herrscht. Bewerberinnen und Bewerber mit Qualifikationen in diesen Bereichen erhalten oft zusätzliche Punkte im Punktesystem. Beispiele für Engpassberufe sind:
Hier sind einige Jobkategorien, bei denen die Chancenkarte besonders relevant sein kann:
- Gesundheitswesen: Pflegekräfte, Ärzte, Altenpfleger, Physiotherapeuten und andere Berufe im medizinischen und pflegerischen Bereich.
- Handwerk: Elektriker, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker, Mechatroniker, Bauingenieure und weitere Fachkräfte im Baugewerbe.
- IT und Technik: Softwareentwickler, IT-Spezialisten, Ingenieure (vor allem im Maschinenbau, Automobilsektor und Elektrotechnik), Datenanalysten, Cybersecurity-Experten.
- Naturwissenschaften: Chemiker, Biologen, Physiker, besonders in forschungsintensiven Bereichen und der Industrie.
- Erziehungs- und Sozialberufe: Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiter, Psychologen, insbesondere im Bildungswesen und der sozialen Arbeit.
2. Berufe mit Anerkennungsbedarf
Berufe, bei denen die Anerkennung von Qualifikationen eine wichtige Rolle spielt, sind besonders geeignet. Wer bereits eine (Teil-)Anerkennung seiner ausländischen Qualifikationen durch eine deutsche Anerkennungsstelle erhalten hat, erhält zusätzliche Punkte. Dies ist vor allem für folgende Berufe relevant:
- Medizinische Berufe: Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, die in Deutschland arbeiten möchten, benötigen eine Anerkennung ihrer Abschlüsse.
- Technische Berufe: Ingenieure, Architekten und Techniker müssen häufig ihre ausländischen Abschlüsse anerkennen lassen.
- Lehrberufe: Lehrer, die in Deutschland arbeiten möchten, müssen ebenfalls oft eine Anerkennung ihrer Qualifikation nachweisen.
3. Berufe ohne formale Anerkennung
Die Chancenkarte richtet sich auch an Personen, die in Berufen arbeiten möchten, die keiner formalen Anerkennung bedürfen. In diesen Fällen zählen Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und andere Qualifikationen für das Punktesystem. Beispiele hierfür sind:
- Dienstleistungssektor: Hotel- und Gastgewerbe, insbesondere in der Gastronomie, Tourismus und Hotellerie.
- Verkauf und Einzelhandel: Verkäufer, Logistikspezialisten, Mitarbeiter im Kundenservice.
- Logistik und Transport: Fahrer (Lkw, Bus), Lagerarbeiter, Logistiker.
Fazit
Die Chancenkarte eröffnet neuen Zugangsmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte, die nach Deutschland kommen möchten. Mit einem flexiblen Punktesystem und der Möglichkeit, auch während der Jobsuche zu arbeiten, bietet sie attraktive Perspektiven für Menschen aus dem Ausland. Durch die Verdopplung der Westbalkanregelung wird der Zugang für Arbeitskräfte aus diesen Ländern weiter vereinfacht. Wenn Sie sich für eine Arbeit in Deutschland interessieren, lohnt es sich, die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Chancenkarte genau zu prüfen.